
Stromer mit Hinguck-Garantie
Erreicht Volkswagen mit dem ID. Buzz das Ziel, den Nachfolger des Bullis zur Ikone zu erheben? NFM testet den neuen Stromer in der Nutzfahrzeugvariante.
Knapp ein halbes Jahr nach dem Vorverkaufsstart rollt der schmucke, blau-weiß lackierte ID. Buzz Cargo mit der markanten runden Frontpartie auf den Parkplatz vor dem NFM-Verlagsgebäude im niedersächsischen Beverstedt. Schon rein optisch hebt sich der leicht futuristisch anmutende Van mit dem freundlichen Gesicht von den übrigen abgestellten Fahrzeugen ab. Passanten und Kollegen staunen: "Der sieht aber schick aus." Den Aufmerksamkeitsbonus hat der Elektro-Bulli schonmal. Wie er sich im Alltag bewährt, soll der 14-tägige Test in der Stadt, auf dem Land und auf der Autobahn zeigen.
Dabei blicken zwei NFM-Redakteure aus völlig unterschiedlichen Perspektiven auf den zweisitzigen Testflitzer: Frank Heise (62) ist erfahrener Motorjournalist mit Wurzeln in der Verbrenner-Ära und als früherer VW-Käfer- und Bulli-Schrauber ein Autoenthusiast durch und durch. Thorsten Penz (51) ist relativ neu im Automotive-Bereich und betrachtet Fahrzeuge sachlich und betont emotionslos nach ihrem Zweck. Beide schätzen die leicht zu erschließende Bordtechnik, die es möglich macht, mit dem ID. Buzz sofort loszufahren. Selbst an dem drehbaren Hebel für die Gangwahl haben sich beide Testpiloten rasch gewöhnt. Einig ist sich das Duo auch darin, dass der Stromer, dank seines engen Wendekreises von rund 11 m, super manövrierbar ist. Als überraschend angenehm empfinden beide Redakteure auch gleich die niedrige Geräuschkulisse. Von Anfang an als Stromer konzipiert, konnten Material und Dämmeigenschaften wohl noch besser an Betriebsgeräusche und das Vibrationsverhalten des Elektroantriebs angepasst werden, als bei Elektrofahrzeugen, deren Chassis und Karosserie noch von Verbrennern stammen – so die Schlussfolgerung von Frank Heise.
Der ID. Buzz Cargo ist sozusagen der Bruder des ID. Buzz. Vor allem durch sein pragmatisches, reduziertes Interieur im Fahrerhaus unterscheidet sich der Lieferwagen für Handwerker und Kuriere von dem modern dekorierten People-Mover für Familie und Freizeit. Die Cargo-Version hat hinten, statt Sitzbänken und Seitenfenstern, natürlich nur einen schlichten verblechten Laderaum. „Reicht allemal für den Transportalltag“, kommentiert Thorsten Penz.
Der Testwagen – ein Zero- Emission-Allrounder ID. Buzz Cargo mit Eingang-Automatik – hat einen Grundpreis von 54.430,60 Euro (inkl. MwSt.). Hinzu kommt eine umfangreiche Sonderausstattung. Leichtmetallräder Tilburg etwa kosten 2522,80 Euro, das Fahrer-Assistenzsystem Plus mit Travel Assist, Spurwechsel-Assistent, automatischer Distanzregelung ACC und Rückfahrkamera schlägt mit 1993,25 Euro zu Buche; das Alles-im- Griff-Paket mit Keyless Advanced mit Safesicherung kostet 934,15 Euro; das Navigationssystem Discover Pro 773,50 Euro und das Netzladekabel für die Haushalts-Steckdose 178,50 Euro. Somit beträgt der Endpreis stattliche 68.147,73 Euro (inkl. MwSt.). Relativierend führt VWN monetäre Vorteile ins Feld wie die Kfz-Steuerbefreiung von zehn Jahren in Deutschland, niedrigere Energiekosten durch den Betrieb mit Strom sowie einen geringeren Wartungsbedarf, weil Ölwechsel entfallen und die Service-Intervalle vergleichsweise groß sind. Hinzu kommt die geringere Versteuerung des Dienstwagens in Deutschland. Die Volkswagen Leasing GmbH bietet darüber hinaus ein Leasing ab 661 Euro brutto für den ID. Buzz Cargo an.
Mit dem ID. Buzz „made in Hannover“ will Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) praxisorientierte Elektromobilität für alle bieten, die mehr Raum zum Leben und Arbeiten brauchen. „Das ist gelungen“, so Penz und Heise unisono. Weder im Fahrerhaus noch beim Packen im Laderaum fühlen sie sich eingeengt. Das Fahrzeug ist lokal emissionsfrei, vernetzt und digitalisiert. Es kann per Over-the-Air-Updates stets aktualisiert werden und soll durch seinen elektrischen Antrieb „extrem wirtschaftlich“ sein. „Bleibt zu hoffen, dass die Rechnung angesichts der energiepolitischen Weltlage für die Anwender elektrischer Nutzfahrzeuge aufgeht“, gibt Thorsten Penz zu bedenken.
Serienmäßig stattet VWN den ID. Buzz mit der bislang größten Batterie der ID.-Buzz-Familie aus. Nach dem ersten Fahreindruck von Redakteur Thorsten Penz macht sich die am Boden verbaute Batterie durch einen niedrigen Schwerpunkt bemerkbar. Resultat ist: auch unbeladen eine spürbare Erdverbundenheit und Stabilität in Kurven. Der Lithium-Ionen-Akku bietet einen Energiegehalt von 77 kWh (82 kWh brutto) und versorgt eine 150 kW (204 PS) starke elektrische Maschine im Heck mit 310 Nm Drehmoment aus dem Stand heraus. Bauartbedingt ist auch dieser Stromer im Vergleich zu Verbrennern überlegen durchzugsstark. Der WLTP-Verbrauch des Cargos liegt laut Hersteller bei 20,4 kWh/100 km, was sich im zweiwöchigen NFMProbebetrieb als durchaus realistisch erwiesen hat. Auch die von VWN mit 425 km angegebene maximale Reichweite geht in Ordnung.
Strom gezapft wird durch ein Ladeport hinten rechts. Für Thorsten Penz etwas gewöhnungsbedürftig, da viele Stromer heutzutage „Nasenlader“ mit Stecker vorne sind – was ihm mehr zusagt. An einer DC-Schnellladesäule ist die Batterie von 5 bis 80 Prozent ihrer Kapazität bei einer maximalen Ladeleistung von bis zu 170 kW nach rund 30 Minuten wieder aufgeladen. Penz: „Zum Glück gibt’s immer mehr öffentliche Ladestationen mit hoher Leistung.“ Praktisch für Handwerker unterwegs: Das Laden ist auch mit einem auf Baustellen üblichen CEE-Stecker möglich.
Der ID. Buzz Cargo verlässt das Werk als eines der ersten Nutzfahrzeuge der Welt serienmäßig mit dem Warnsystem Car2X. Ebenfalls stets dabei: der Notbremsassistent Front Assist mit Fußgänger- und Radfahrererkennung. Die Einparkhilfe im Front- und Heckbereich erleichtert auch im Transporter das Rangieren. Ebenfalls serienmäßig: eine Einzonen-Klimaautomatik inklusive Standklimatisierung und Aktivkohlefilter sowie die Zentralverriegelung mit dem schlüssellosen Startsystem Keyless Start. Die technischen Features werden mitunter von Audiosignalen begleitet. Frank Heise stört sich an so manchem Klang aus dem Labor der Sounddesigner.
Zur weiteren Ausstattung des ID. Buzz Cargo gehört eine Heckklappe mit Fenster, Scheibenheizung und Scheibenwischer. Ebenfalls serienmäßig: LED-Scheinwerfer, elektrisch einstell- und beheizbare Außenspiegel, die beim Parken die Ohren anlegen, der Heckscheibenwischer und eine grüne Wärmeschutzverglasung. Die Türgriffe des Transporters sind stets in Wagenfarbe lackiert.
Der ID. Buzz Cargo ist vorne serienmäßig mit drei Sitzplätzen ausgestattet; neben dem in der Höhe einstellbaren Fahrersitz befindet sich eine Doppelsitzbank. Wahlweise stehen hier Einzelsitze – wie beim Testmobil – zur Verfügung. Bezogen sind die Innenflächen der Sitze mit einem dunklen, unempfindlichen Stoff. Praktisch im rauen Handwerker- und Bauarbeiteralltag, wo Hände und Kleidung nicht immer sauber bleiben. Die Außenbereiche und Rückseiten der Sitze hat VWN in dunklem Kunstleder ausgeführt. Hart im Nehmen ist zudem der Robustbodenbelag im Fahrerhaus. Wie Redakteur Thorsten Penz kritisch anmerkt, fühlt sich der Aufenthalt in der rundum mit Kunststoff ausgekleideten Kabine doch etwas ungemütlich an. Allemal bietet die Hartplastiklandschaft ausreichend Ablageflächen für Schreibzeug und Geräte nebst Getränkehaltern und Kleiderhaken.
Der ID. Buzz Cargo ist mit dem Infotainmentsystem „Ready 2 Discover“ auf einem immerhin 10"-Screen und in der deutschen Landessetzung mit DAB+ ausgestattet. Ebenfalls an Bord: eine Multifunktionskamera zur Optimierung der Front-Assist-Funktionen. Eine 12-V-Steckdose, zwei USB-C-Schnittstellen und zwei weitere USB-CLadebuchsen versorgen Smartphones, Tablets und Laptops mit Strom. Zudem gibt es optional eine Smartphone-Ablage mit induktiver Ladefunktion und eine Mobiltelefon-Schnittstelle. Ein Ausstattungsdetail gibt Frank Heise Rätsel auf: Angesichts der winzigen Maße stellt er die Zweckmäßigkeit des Hauptinstruments in Frage, das nur handtellergroß hinterm Lenkrad verschwindet: „So klein, da kann man es doch gleich weglassen.“ Gut gefällt ihm hingegen die selbsterklärende Touch-Funktion der Innenbeleuchtung.
Der ID. Buzz Cargo ist hinter den Sitzen serienmäßig mit einer festen Trennwand zum 3,90 m3 großen, teilverkleideten Laderaum ausgestattet und bietet Platz für zwei Europaletten, die auch quer zwischen die Radkästen geführt werden können. Durch eine Glasscheibe kann der Fahrer über die Schulter ins geräumige Frachtabteil blicken. Die maximale Laderaumlänge am Boden beträgt 2,20 m, die maximale Ladebreite 1,73 m. Die maximale Zuladung des Transporters liegt bei 650 kg. Die Ladung kann via sechs Verzurrösen im stabilen Boden und optional über Verzurrschienen in den Seitenwänden gesichert werden. Praktisches Detail ist ein geräumiges Fach für Ladekabel unter dem Boden. Als Extra am Testwagen erhöht die per Fuß klappbare Anhängevorrichtung den Praxiswert des Fahrzeugs.
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